Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten

Ein Gast-Artikel von Rechtsanwalt Igor Posikow aus Hamburg

Wie sinnvoll ist der Abschluss einer Rechtsschutzversicherung? Die Frage stellen sich regelmäßig die Wenigsten. Sobald das erste Mal die Hilfe eines Rechtsanwalts benötigt wird, läuft den Hilfesuchenden häufig ein Schauer über den Rücken. Schon eine reine Erstberatung bei einem Anwalt kann bis zu 190,00 Euro zzgl. MwSt. kosten. Deutlich höher als der durchschnittliche Jahresbeitrag einer Rechtsschutzversicherung, je nach Umfang des Versicherungsschutzes. Nicht ohne Grund heißt es häufig in der Versicherungsbranche, dass neben der privaten Haftpflichtversicherung und der Berufsunfähigkeitsversicherung die Rechtsschutzversicherung wohl die sinnvollste freiwillige Versicherung ist.

Inhaltsübersicht

Der kostenlose VMK-Newsletter informiert dich jede Woche über unbekannte Stolperfallen in Versicherungsverträgen, echte Leistungsfälle der Newsletter-Abonnenten und Aktionen von Versicherern und anderen Finanzinstituten.

Gib dem Kleingedruckten keine Chance mehr!

Wie teuer sind Rechtsschutzversicherungen und was bekomme ich für mein Geld?

Der Leistungskatalog der Rechtsschutzversicherer ist sehr umfangreich und hängt grundsätzlich von dem jeweiligen Versicherungsvertrag ab. Zu beachten ist jedoch, dass eine rückwirkende Bezahlung einer Rechtsangelegenheit ausgeschlossen ist. Der Betroffene kann nicht, nachdem er verklagt wurde, eine Rechtsschutzversicherung abschließen und diese zur Zahlung verpflichten.

Tipp: Nach Abschluss einer Rechtsschutzversicherung muss diese grundsätzlich erst für Fälle einstehen die nach Ablauf von 3 Monaten „entstanden“ sind.

Es ist daher schwierig spontan an eine Leistung der Versicherung zu kommen, falls man noch keine abgeschlossen hat. Die Versicherer, die einen „reaktiven“ Rechtsschutz anbieten, lassen sich diese Spontanität gut bezahlen.

Diese Rechtsgebiete sind versicherbar

Die Rechtsschutzversicherer bieten in der Regel verschiedene Bausteine oder Pakete, die abgeschlossen werden können. Dazu gehören die Unterscheidungen zwischen privatem- und/oder gewerblichem Schutz und den zu versichernden Rechtsgebieten. Die üblichen versicherbaren Rechtsgebiete sind:

  • Verkehrsrecht inklusive Verkehrsstrafrecht und Fahrerlaubnisrecht
  • mietrechtliche Angelegenheiten
  • Arbeitsrecht
  • Steuerrecht
  • Angelegenheiten zum Schadensersatz
  • sozialrechtliche Angelegenheiten
  • Flugreiserecht und Reiserecht
  • und viele andere

Diese Kosten werden von einer Rechtsschutzversicherung übernommen

Grundsätzlich trägt die Rechtsschutzversicherung je nach Versicherungsvertrag nachfolgende Kosten:

  • die vorgerichtlichen und gerichtlichen Anwaltskosten
  • Kosten für einen Sachverständigen in einem gerichtlichen Prozess
  • die Gerichtskosten
  • etc.

Private Gutachten werden von den Versicherungen jedoch nicht übernommen. Ausnahmen hierzu bilden technische Gutachten zur Überprüfung von Geschwindigkeitsmessungen im Verkehrsrecht. Wichtig ist, die eigene Rechtsschutzversicherung vor Beauftragung eines Anwalts zu befragen, ob der bestimmte Fall zumindest dem Grunde nach übernommen wird.

Zusätzliche Leistungen einer Rechtsschutzversicherung

Je nachdem, was das Versicherungspaket beinhaltet, kosten Rechtsschutzversicherungen ab 70,00 Euro und aufwärts pro Jahr. Die Versicherer bieten den eigenen Versicherungsnehmern gleichzeitig nicht nur die Vergütung des selbst gewählten Anwalts und die Erstattung der Gerichtskosten. Bei den Meisten erhält der Versicherungsnehmer Zugang zu diversen Formularen und vorgefertigten Vertragsentwürfen zur freien Nutzung.

Zusätzlich besteht sogar die Möglichkeit sich über die telefonischen Hotlines der jeweiligen Versicherer direkt und kostenlos mit einem Anwalt verbinden zu lassen. So muss nicht bei jeder noch so kleinen rechtlichen Frage, direkt ein Anwaltsbüro aufgesucht werden.

Vorsicht bei telefonischer Erstberatung

Die Ratschläge, die man bei solchen Anwaltshotlines der Versicherer bekommt, sind jedoch mit Vorsicht zu genießen. Der Autor ist der Meinung, dass einerseits der Versicherungsnehmer gelegentlich mit einem Anwalt verbunden wird, der sich mit besonders spezifischen Rechtsfragen und den Feinheiten des damit zusammenhängenden Rechtsgebietes nicht optimal auskennt. Andererseits ist zu beachten, dass dieser Rechtsanwalt dem Betroffenen von einer weiteren Verfolgung der Sache abraten könnte. Ein solcher Ratschlag sollte nach Ansicht des Autors grundsätzlich nicht ohne zweite unabhängige Meinung hingenommen werden.

Tipp: Der Versicherte kann immer einen Anwalt seiner Wahl beauftragen, solange die Versicherung die Kosten für den Fall übernehmen muss. Auch wenn manche Rechtsschutzversicherer versuchen, etwas anderes weiß zu machen, muss der von der Versicherung eventuell empfohlene Rechtsanwalt nicht beauftragt werden.

Auch nicht sonderlich aussichtsreiche Rechtsfälle müssen regelmäßig von den Versicherern übernommen werden. Die begehrte Rechtsverfolgung sollte nur nicht mutwillig sein.

Nicht jeder Fall ist versichert

Selbstverständlich muss beachtet werden, dass der Rechtsschutz häufig innerhalb eines Rechtsgebietes nicht uneingeschränkt gilt. Ein Beispiel wäre die Angelegenheit rund um ein Bußgeld wegen „Falschparkens“ im Rahmen des Verkehrsrechts. Die Unterstützung durch einen Rechtsanwalt zur Abwehr des Bußgeldes ist von nahezu allen Versicherungen nicht abgedeckt. Dies gilt auch für andere kleinere Verkehrsordnungswidrigkeiten, die nur mit einem Verwarnungsgeld oder einer geringen Geldbuße geahndet werden.

Eine weitere Besonderheit ergibt sich u.a. im Strafrecht. Wenn mit der Versicherung der Verkehrsrechtsschutz vereinbart wurde, ist diese grundsätzlich zur Zahlung der Anwaltskosten für die außergerichtliche und gerichtliche Vertretung durch einen Anwalt verpflichtet. Sollte jedoch der Betroffene wegen einer vorsätzlichen Begehung des jeweiligen Deliktes verurteilt worden sein, so entfällt die Verpflichtung der Versicherung. Diese verlangt demzufolge häufig die gesamten Kosten wieder von dem eigenen Versicherungsnehmer zurück. Die Zahlungspflicht bleibt bei der Versicherung, falls die Verurteilung wegen fahrlässiger Begehung erreicht werden konnte.

Beispiel für den Sinn einer Rechtsschutzversicherung anhand eines möglichen Rechtsschutzfalls

Anhand des folgenden Beispiels wird verdeutlicht, inwiefern der Abschluss einer Rechtsschutzversicherung sinnvoll bzw. rentabel sein kann. Es wird von einer Rechtsschutzversicherung ausgegangen, die 100 Euro pro Jahr kostet und nach 3 Jahren das erste Mal im Verkehrsrecht aufgrund eines Verkehrsunfalls in Anspruch genommen werden muss.

Diese Kosten würden auf dich zukommen

Aufgrund eines Unfalls ist dem Betroffenen ein Schaden von 5.000 Euro entstanden. Der Unfallgegner und seine KFZ-Haftpflichtversicherung verweigern die Zahlung der Schäden. Der Betroffene muss einen Anwalt damit beauftragen sich mit der gegnerischen Versicherung auseinanderzusetzen. Der Anwalt schreibt die Versicherung vorgerichtlich ohne Erfolg an. Anschließend erhebt er eine Klage. Das Gericht fordert ein Gutachten, um den Unfallhergang nachvollziehen zu können. Die gesamten Kosten eines solchen Verfahrens liegen bestenfalls bei 3.621,40 Euro.

  • 1.183,40 Euro für den eigenen Anwalt bei gesetzlicher Honorarabrechnung
  • 438,00 Euro für die Gerichtskosten
  • zwischen 2.000 Euro und 7.000 Euro für das Gutachten

Sollte der Betroffene den Fall nun verlieren, kommen noch die Kosten des gegnerischen Anwalts dazu. Somit entstehen Kosten von Sage und Schreibe 4.804,80 Euro. Der Betroffene muss auf die begehrten 5.000 Euro verzichten und dazu noch über 4.800 Euro ausgleichen.

Rechtsschutzversicherung übernimmt die Kosten

Glücklicherweise trägt die Rechtsschutzversicherung jedoch alle oben aufgezählten Kosten. Der Betroffene hat lediglich seinen jährlichen Beitrag von 100,00 Euro zu leisten.

Sollte das Gericht dem Betroffenen lediglich 2.500 Euro zusprechen, statt der begehrten 5.000 Euro, hat dieser 50% aller Kosten zu tragen. Das bedeutet, dass der Betroffene 2.402,40 Euro zu tragen hat. In diesem Lichte verbleibt lediglich ein Betrag von unter 100 Euro. Auch hier würde eine Rechtsschutzversicherung sämtliche Kosten übernehmen. Der Betroffene geht somit aus der Rechtsstreitigkeit mit 2.500 Euro und muss keine weiteren Kosten übernehmen.

Dieses Szenario könnte in beliebigen Variationen durchgespielt werden und in nahezu jedem Fall ist der Abschluss einer Rechtsschutzversicherung sinnvoll. Selbst dann, wenn die bestehende Rechtsschutzversicherung über mehrere Jahre lang nicht in Anspruch genommen wurde.

Dieses Rechtsgebiet sollten Sie versichern

Der Versicherungsumfang ist nach den individuellen Bedürfnissen und Lebensumständen zu richten. Eine uneingeschränkte Empfehlung für den Abschluss eines Rechtsschutzes für das Verkehrsrecht kann grundsätzlich ausgesprochen werden. Insbesondere sollten Vielfahrer und Personen die berufstätig mit dem PKW pendeln müssen, unbedingt eine Rechtsschutzversicherung für das Verkehrsrecht abschließen. Dies ist damit zu begründen, dass Verkehrsunfälle in vielen Situationen höhere Schäden zur Folge haben. Darüber hinaus kann auch der vorsichtigste Fahrer sich nicht immer vor Unfällen schützen.

Oft führen Verkehrsunfälle auch zu einer Strafverfolgung oder Verfolgung durch die Ordnungsbehörden, welches mit weiteren Kosten verbunden sein kann. Vorausgesetzt man möchte sich natürlich gegen die behördliche Verfolgung wenden. Sobald ein Verkehrsunfall von einem Gericht entschieden werden muss, ist möglicherweise ein Gutachten von dem Kläger beizubringen und somit vorauszubezahlen. Optimalerweise lässt man sich von einem unabhängigen Versicherungsmakler zu dem Thema beraten. So lässt sich einfacher feststellen, welche Absicherung individuell sinnvoll ist.

Welche Rechtsschutzversicherungen sind empfehlenswert?

Zu der Frage sollte ebenfalls ein Versicherungsmakler des Vertrauens befragt werden. Zu beachten ist, dass eine Versicherungsgesellschaft gewählt wird, die mit den Anwälten unkompliziert umgeht. Einige Versicherer erschweren den sachbearbeitenden Anwälten die Arbeit in erheblicher Art und Weise. Die Anzahl der Anwälte, die die Korrespondenz mit bestimmten Rechtsschutzversicherern komplett verweigern und sich direkt an die Versicherungsnehmer halten, nimmt jährlich zu. Dies ist unangenehm für den Versicherten und verursacht diesem sehr viel Arbeit. Immerhin muss der Versicherte dann die Kommunikation mit der Rechtsschutzversicherung selbst führen, diese auf dem neuesten Stand halten und möglicherweise die Rechnungen des Anwalts vorauszahlen.

Zusätzlich solltest du darauf achten, dass die Rechtsschutzversicherung auf die Anwendung der Vorerstreckungsklausel verzichtet.

Eine Rechtsschutzversicherung ist sinnvoll

Für den Abschluss einer Rechtsschutzversicherung sprechen viele Gründe. Das Lesen dieses Artikels ist bereits der Schritt in die richtige Richtung. Eine Beratung von einem unabhängigen Fachmann/Versicherungsmakler ist ebenfalls zu empfehlen. Immerhin sind die Kosten einer Rechtsschutzversicherung vergleichsweise niedrig, im Verhältnis zu den erheblichen Kosten, die mit der Beauftragung eines Rechtsanwalts und die einem Rechtsstreit folgen können. Demnach ist die Rechtsschutzversicherung für viele eine sinnvolle Versicherung.

svg+xml,%3Csvg%20xmlns%3D%27http%3A%2F%2Fwww.w3 - Ist der Abschluss einer Rechtsschutzversicherung sinnvoll?

Ein Gast-Artikel von Rechtsanwalt Igor Posikow

Rechtsanwalt Dipl.-Jur. Igor Posikow ist Inhaber einer Rechtsanwaltskanzlei in Hamburg. Ausgelegt ist die Kanzlei auf die Rechtsgebiete Verkehrsrecht, Vertragsrecht, Wettbewerbsrecht und Andere. Die Beratung und Vertretung durch die Kanzlei findet bundesweit statt. Durch die Bearbeitung und gerichtliche Vertretung zahlreicher verkehrsrechtlicher Fälle hat Rechtsanwalt Posikow umfassende Erfahrung im Umgang mit Versicherungsunternehmen vorzuweisen. Weitere Informationen können auf der Internetseite der Kanzlei eingesehen werden: www.kanzlei-posikow.de.