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Ein Gast-Artikel von Rechtsanwalt Niklas Clamann aus Münster, Online Scheidung Deutschland

Laut Duden hat der Begriff „Versicherung“ zwei Bedeutungen. Zum einen handelt es sich um die Erklärung, dass etwas gewiss, sicher sei. Zum anderen geht es um den Vertrag mit einer Versicherungsgesellschaft, nach dem diese gegen regelmäßige Zahlung eines Beitrags bestimmte Schäden oder Kosten ersetzt. Wenn du dich nun scheiden lässt, bist du als Versicherungsnehmer unter Umständen nicht mehr gewiss vor eintretenden Schäden oder Kosten geschützt. Warum das so ist und wie du deinen Versicherungsschutz überprüfen kannst, möchte ich im folgenden Experten-Artikel zum Thema „Versicherung und Scheidung“ darstellen.

Inhaltsübersicht

Versicherung: Rechtsverhältnis zwischen zwei Parteien

Wie in der Einleitung gesagt, ist eine Versicherung grundsätzlich ein Vertrag zwischen dir und einem Versicherer. Hierbei handelt es sich um ein privates Rechtsverhältnis mit Rechten und Pflichten für die Versicherungsgesellschaft und den Versicherungsnehmer. Besonders deutlich wird dieses Gegenseitigkeitsverhältnis, wenn du dir die Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) anschaust. Beispielsweise ist der Versicherer dir mit Blick auf die Haftpflichtversicherung zu folgender Leistung gemäß § 100 VVG verpflichtet:

§ 100 Leistung des Versicherers

Bei der Haftpflichtversicherung ist der Versicherer verpflichtet, den Versicherungsnehmer von Ansprüchen freizustellen, die von einem Dritten auf Grund der Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache geltend gemacht werden, und unbegründete Ansprüche abzuwehren.

Im Gegenzug bist du gemäß § 33 Absatz 1 VVG verpflichtet, regelmäßige Beiträge (Prämien) zu zahlen:

§ 33 Fälligkeit

(1) Der Versicherungsnehmer hat eine einmalige Prämie oder, wenn laufende Prämien vereinbart sind, die erste Prämie unverzüglich nach Ablauf von 14 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins zu zahlen.

(2) Ist die Prämie zuletzt vom Versicherer eingezogen worden, ist der Versicherungsnehmer zur Übermittlung der Prämie erst verpflichtet, wenn er vom Versicherer hierzu in Textform aufgefordert worden ist.

Unterscheidung: Private und öffentlich-rechtliche Versicherungen

Das oben beschriebene Rechtsverhältnis kann ganz unterschiedlicher Natur sein. Hier unterscheidet man zwischen privaten Versicherungsverhältnissen und den Sozialversicherungen. Die oben beispielhaft erwähnte Haftpflichtversicherung ist eine private Versicherung. Innerhalb der privaten Versicherungen kann man weiter zwischen freiwilligen und Pflichtversicherungen differenzieren. Während beispielsweise eine Rechtsschutzversicherung freiwillig abgeschlossen werden kann, sind natürliche Personen wie du zum Abschluss einer KFZ Haftpflichtversicherung verpflichtet, wenn sie ein Auto im Straßenverkehr bewegen wollen. Dies besagt § 113 Absatz 1 VVG:

§ 113 Pflichtversicherung

(1) Eine Haftpflichtversicherung, zu deren Abschluss eine Verpflichtung durch Rechtsvorschrift besteht (Pflichtversicherung), ist mit einem im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Versicherungsunternehmen abzuschließen.

(2) Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer unter Angabe der Versicherungssumme zu bescheinigen, dass eine der zu bezeichnenden Rechtsvorschrift entsprechende Pflichtversicherung besteht.

(3) Die Vorschriften dieses Abschnittes sind auch insoweit anzuwenden, als der Versicherungsvertrag eine über die vorgeschriebenen Mindestanforderungen hinausgehende Deckung gewährt.

Daher: Unterschiedliche Auswirkungen bei Scheidung

Da die vorstehend genannten Versicherungsverhältnisse ganz unterschiedlicher Natur sind, wirkt sich auch eine Scheidung unterschiedlich auf deine Versicherungsverhältnisse aus. Bevor ich auf die Unterschiede eingehe, möchte ich zunächst verdeutlichen, dass Trennung und Scheidung juristisch betrachtet zwei ganz unterschiedliche Paar Schuhe sind. Die Trennung markiert den Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft. Zum Beispiel haben sich die Ehegatten gestritten und einer zieht aus. Darauf folgt die Trennungszeit. Die Ehegatten müssen mindestens ein Jahr (Trennungsjahr) getrennt voneinander leben, bevor sie sich scheiden lassen können. Die Scheidung ist schließlich ein frühestens ein Jahr nach Beginn der Trennung ergehender Gerichtsbeschluss.

Private Versicherungen bei Scheidung

Wenn du und ein Ehepartner während der Ehezeit getrennte voneinander private Versicherungen abgeschlossen hattet, ändert sich für euch nichts. Es handelt sich um voneinander unabhängige Rechtsverhältnisse zwischen Versicherungsnehmern und Versicherern. Wenn Ihr jedoch gemeinsam versichert wart (Mitversicherung), solltet ihr spätestens mit Hergang des rechtskräftigen Scheidungsbeschlusses euren Versicherungsschutz überprüfen. Dies gilt für alle privaten Mitversicherungen wie Haftpflicht und Rechtsschutz. Denn eine Mitversicherung endet immer im Zeitpunkt des rechtskräftigen Scheidungsbeschlusses durch ein Familiengericht.

Öffentlich-rechtliche Versicherungen bei Scheidung

In der gesetzlichen Krankenversicherung kommen häufig sogenannte Familientarife vor. Ist ein Ehegatte berufstätig, der andere nicht und die Kinder Schüler oder Studenten, sind in der Regel alle Familienmitglieder gemeinsam bei einer Krankenkasse versichert. Wie bei den privaten Versicherungen endet der Versicherungsschutz grundsätzlich für den anderen Ehegatten mit dem rechtskräftigen Scheidungsbeschluss. Kinder sind davon ausgenommen. Dem anderen Ehegatten wird nun eine Übergangsfrist von drei Monaten gewährt, um sich nach einer anderen gesetzlichen Krankenkasse umzusehen oder ein neues Versicherungsverhältnis mit der vorherigen Krankenkasse zu beginnen.

Die Rentenversicherung hingegen erzeugt keine Probleme mit Blick auf eine Unterbrechung der Beziehungen zwischen den Vertragsparteien. Vielmehr ist die Rentenversicherung Gegenstand des Versorgungsausgleichs, auf den im Folgenden einzugehen sein wird.

Versicherungen als Gegenstand des Versorgungs- und Zugewinnausgleichs bei Scheidung

Selbst wenn sich die Rechtsbeziehung zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer durch den Scheidungsbeschluss an sich nicht ändert, können Versicherungen weiterhin Gegenstand des Versorgungs- und Zugewinnausgleichs sein. Beide Ansprüche gehen in der Regel mit der Scheidung einher, sind aber grundsätzlich getrennt vom Scheidungsbeschluss zu betrachten. Im Folgenden möchte ich dir zeigen, welche Versicherungen für den Zugewinn- und den Versorgungsausgleich besonders relevant sind.

Zugewinnausgleich: Kapitallebensversicherung

Auch in Bezug auf Versicherungen lohnen sich Gedanken über einen Ehevertrag. Denn grundsätzlich gilt gemäß § 1363 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) die sogenannte Zugewinngemeinschaft für Ehegatten:

§ 1363 Zugewinngemeinschaft

(1) Die Ehegatten leben im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, wenn sie nicht durch Ehevertrag etwas anderes vereinbaren.

(2) Das jeweilige Vermögen der Ehegatten wird nicht deren gemeinschaftliches Vermögen; dies gilt auch für Vermögen, das ein Ehegatte nach der Eheschließung erwirbt. Der Zugewinn, den die Ehegatten in der Ehe erzielen, wird jedoch ausgeglichen, wenn die Zugewinngemeinschaft endet.

Unter Zugewinn versteht man den Betrag, um den das Endvermögen eines Ehegatten das Anfangsvermögen übersteigt. Versicherungen sind also immer dann relevant im Scheidungsfall, wenn sie das Vermögen eines Ehegatten gemehrt haben. Hier ist die kapitalbildende Lebensversicherung von großer Relevanz. Entscheidend für die Berechnung des Endvermögens ist der Zeitpunkt, in dem die Scheidungsklage rechtshängig wird. Rechtshängigkeit heißt, dass dem Antragsgegner die Scheidungsklage zugestellt wird. Zu diesem Zeitpunkt sind die Rechte eines Ehegatten aus einem Lebensversicherungsvertrag zu ermitteln. Das heißt, man kapitalisiert die hinzugewonnenen vermögenswerten Ansprüche aus dem Vertrag auf den Stichtag der Rechtshängigkeit. Die daraus resultierende Summe wird in den Zugewinnausgleich mit einbezogen.

Versorgungsausgleich: Rentenversicherung

Daneben gleicht der Versorgungsausgleich die sogenannten Rentenanwartschaften der Ehegatten untereinander aus. Das sind zum Beispiel Rentenpunkte bei der gesetzlichen Rentenversicherung. Hat ein Ehegatte während der Ehezeit mehr gearbeitet und deshalb mehr Rentenpunkte erworben, werden diese bei der Scheidung ausgeglichen. Die Ehegatten können auf den Versorgungsausgleich im Weg einer notariell beglaubigten Vereinbarung verzichten. Jedoch kontrolliert das Gericht den Ausschluss auf seine Wirksamkeit hin. Denn der Versorgungsausgleich hat die Funktion der sozialen Abfederung des schwächeren Ehegatten, die durch einen Ausschluss nicht vollständig unterlaufen werden soll.

svg+xml,%3Csvg%20xmlns%3D%27http%3A%2F%2Fwww.w3 - Scheidung statt Versicherung: Verunsicherung?

Ein Gast-Artikel von Rechtsanwalt Niklas Clamann

Niklas Clamann führt seit Beginn dieses Jahres die von seinem Vorgänger Herrn Rechtsanwalt Christian Kieppe betriebene Tätigkeit als Anwalt im Familienrecht fort. Von Münster aus betreut Herr Clamann bundesweit Mandanten im Rahmen ihres Scheidungsverfahrens. Ein besonderes Augenmerk legt Herr Clamann darauf, einvernehmliche Lösungen im Sinne seiner Mandantschaft herbeizuführen.