Erfahre in diesem umfangreichen Experten-Artikel alles über die gesetzliche und private Pflegeversicherung. Wie in der Krankenversicherung besteht auch in der Pflegeversicherung eine Versicherungspflicht in Deutschland. Doch reichen die Leistungen aus der Pflegepflichtversicherung aus, um die möglichen Pflegekosten zu bezahlen?

Wichtige Infos auf einen Blick

  • Der allgemeine Beitragssatz zur gesetzlichen Pflegeversicherung liegt für Kinderlose und Eltern mit einem Kind seit dem 01.07.2023 bei 3,4% (vorher 3,05%) vom Bruttogehalt. Der Arbeitgeber zahlt hiervon die Hälfte, also 1,7%.
  • Für Eltern mit 2 oder mehr Kindern gibt es eine bis zum 25. Lebensjahr des Kindes befristete Entlastung von 0,25% pro Kind (bis zum 5. Kind).
  • Kinderlose ab 23 Jahren zahlen zusätzlich 0,6% (vorher 0,35%). Der Zusatzbeitrag wird zu 100% vom Arbeitnehmer getragen.
  • Der Beitrag zur privaten Pflegepflichtversicherung richtet sich nicht nach dem Einkommen, sondern nach Eintrittsalter und Gesundheitszustand.
  • Die Pflegebedürftigkeit wird seit 2017 nicht mehr in 3 Pflegestufen, sondern in 5 Pflegegraden bemessen.
  • Zwischen der gesetzlichen und privaten Pflegepflichtversicherung gibt es keine Leistungsunterschiede. Die vorhandenen Leistungslücken sind deshalb identisch.
  • Mit dem verlinkten Pflegelückenrechner kannst du deine individuelle Leistungslücke kinderleicht berechnen.
  • Leistungslücken können durch private Pflegezusatzversicherungen geschlossen werden.

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Wie funktioniert die gesetzliche und private Pflegepflichtversicherung?

Kurz und kompakt die wichtigsten Fakten auf einen Blick.

  • Sowohl bei der gesetzlichen als auch privaten Pflegeversicherung handelt es sich um eine Pflichtversicherung.
  • Das heißt jeder Mensch in Deutschland ist pflegeversichert, egal ob er gesetzlich ober privat krankenversichert ist.
  • Krankenversichert? Träger der Pflegeversicherung ist die jeweilige gesetzliche Pflegekasse, welche an die entsprechende Krankenkasse angeschlossen ist oder die jeweilige private Krankenversicherung.
  • Bei der gesetzlichen und privaten Pflegepflichtversicherung handelt es sich um 2 separate Systeme.
  • Finanziert wird das Ganze durch die Beiträge der Versicherten.
  • Sollte eine Pflegebedürftigkeit festgestellt werden, können Leistungen aus der Pflegepflichtversicherung bezogen werden.

Beitrag

Gesetzliche Pflegepflichtversicherung

Versicherungspflichtig Beschäftigte

Der allgemeine Beitragssatz in der gesetzlichen Pflegeversicherung liegt seit dem 01.07.2023 bei 3,4% (vorher 3,05%) vom Bruttogehalt und ist bei jeder Krankenkasse identisch.

Der Arbeitgeber zahlt 1,7%, d.h. die Belastung beim Arbeitnehmer liegt ebenfalls bei 1,7%.

Kinderlose ab 23 Jahren müssen zusätzlich den Kinderlosenzuschlag von 0,6% (vorher 0,35%) zahlen. Dieser Beitrag wird zu 100% vom Arbeitnehmer gezahlt. Die Gesamtkosten belaufen sich dann auf 2,3% (vorher 1,875%).

Der Maximalbeitrag zur gesetzlichen Pflegeversicherung ist 2024 bei einem monatliches Einkommen von 5.175 Euro (2023: 4.987,50 Euro) oder mehr zu zahlen. Diese Zahl nennt sich Beitragsbemessungsgrenze für die Kranken- und Pflegeversicherung und wird in der Regel jährlich nach oben hin angepasst.

Um ein Gefühl für die Kosten der gesetzlichen Pflegeversicherung zu bekommen, haben wir euch den Beitrag anhand des durchschnittlichen Monatsbruttogehalts von einem vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ausgerechnet. Dieses lag 2022 bei 4.105 Euro. Bei diesem Verdienst kostet dich die gesetzliche Pflegeversicherung als Angestellter mit einem Kind monatlich 69,79 Euro bzw. 94,42 Euro (inkl. Kinderlosenzuschlag).

Entlastung für Eltern mit 2 oder mehr Kindern

Wo der Beitrag für Kinderlose und Eltern mit einem Kind zum 01.07.2023 gestiegen ist, gibt es ab 2 Kindern eine Entlastung.

  • Eltern mit 2 Kindern: 3,15%, Arbeitnehmeranteil: 1,45% (Entlastung: 0,075%)
  • Eltern mit 3 Kindern: 2,9%, Arbeitnehmeranteil: 1,2% (Entlastung: 0,325%)
  • Eltern mit 4 Kindern: 2,65%, Arbeitnehmeranteil: 0,95% (Entlastung: 0,575%)
  • Eltern mit 5 und mehr Kindern: 2,4%, Arbeitnehmeranteil: 0,7% (Entlastung: 0,825%)

Die Entlastung von 0,25% pro Kind wird bis zum 25. Lebensjahr des Kindes gewährt. Nach der sogenannten Erziehungsphase entfällt die Entlastung. Demnach kommt es auch für die bereits stärker belasteten Rentner zu einer Beitragserhöhung.

Auch die Arbeitgeber werden stärker belastet, da der Arbeitgeberanteil seit dem 01.07.2023 immer 1,7% und nicht mehr immer 50% beträgt.

Rentner

Im Gegensatz zu versicherungspflichtig Beschäftigten müssen Rentner den Beitrag zur Pflegepflichtversicherung vollständig selbst tragen, d.h. es werden 3,4% bzw. 4% (bei Kinderlosen) fällig.

Sachsen

In Sachsen wird als einziges Bundesland ein höherer Beitrag zur Pflegepflichtversicherung für Arbeitnehmer erhoben. Statt 1,7% beträgt der Arbeitnehmeranteil 2,2%. Der Arbeitgeberanteil liegt demnach bei nur 1,2%.

Der Kinderlosenzuschlag liegt wie in anderen Bundesländern bei 0,6%.

Entwicklung des Beitragssatzes

Seit der Einführung der gesetzlichen Pflegepflichtversicherung im Jahr 1995 hat sich der Beitrag verdreifacht. Durch steigende Pflegeaufwände ist davon auszugehen, dass sich der prozentuale Beitrag in der Zukunft weiter erhöhen wird. Zudem führen mögliche Gehaltssteigerungen zu nochmals höheren Beiträgen.

Private Pflegepflichtversicherung

Als Privatversicherter muss eine Pflegepflichtversicherung bei einem privaten Krankenversicherer abgeschlossen werden – nicht zu verwechseln mit einer freiwilligen privaten Pflegezusatzversicherung. Im Gegensatz zur gesetzlichen Pflegeversicherung richtet sich der Beitrag nicht nach dem Einkommen, sondern nach Eintrittsalter und Gesundheitszustand. Ob der Versicherte Kinder hat oder nicht, ist für den Beitrag nicht relevant.

Das führt dazu, dass der Beitrag für junge, gesunde Menschen deutlich geringer als in der gesetzlichen Pflegeversicherung ist. Die private Pflegepflichtversicherung für einen gesunden 30-jährigen Arbeitnehmer kostet nur ca. 20 Euro pro Monat. Beachte: Je höher das Eintrittsalter, desto höher der Beitrag.

Der Beitrag zur privaten Pflegepflichtversicherung kann vom Versicherer zu Versicherer abweichen, da jeder die Kosten anhand seines eigenen Versichertenbestandes kalkulieren muss. Die Abweichungen sind jedoch vergleichsweise gering.

Die steigenden Pflegekosten gehen selbstverständlich auch an den privaten Krankenversicherern nicht vorbei, sodass auch die Beiträge für die private Pflegepflichtversicherung in Zukunft weiter steigen werden. Anders als in der gesetzlichen Pflegeversicherung kann hier nicht der Prozentsatz, sondern direkt der monatliche Beitrag erhöht werden.

Pflegegrade

Bis Ende 2016 wurde die Pflegebedürftigkeit in den Pflegestufen 1-3 eingestuft. Seit der Pflegereform 2017 wurden die 3 Pflegestufen durch 5 Pflegegrade abgelöst.

Neben der neuen Bezeichnung und der erhöhten Anzahl an Abstufungen, wurde hierbei auch das Kriterium für die Pflegebedürftigkeit geändert.

Vor 2017 war der zeitliche Aufwand für die Pflege relevant. Seit der Pflegereform wird die Pflegebedürftigkeit durch den Grad der Selbstständigkeit bestimmt.

Definition Pflegebedürftigkeit nach SGB XI

Pflegebedürftig (…) sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und mit mindestens der in § 15 festgelegten Schwere bestehen.

Wer bestimmt die Pflegegrade?

Das kommt darauf an, ob du gesetzlich oder privat versichert bist.

Solltest du gesetzlich versichert sein, musst du oder deine Angehörigen bei deiner Pflegekasse (entspricht deiner Krankenkasse) einen Antrag auf Pflegebedürftigkeit stellen. Diese beauftragt dann den Medizinischen Dienst der Krankenkasse (MDK) oder einen unabhängigen Gutachter, um ein Pflegegutachten zu erstellen.

Bei der privaten Krankenversicherung läuft es ähnlich. Nachdem du oder deine Angehörigen einen Antrag auf Pflegebedürftigkeit bei deinem Versicherer gestellt haben, lässt dieser durch den Medizinischen Dienst MEDICPROOF die Pflegestufe feststellen.

Wie läuft so ein Gutachten ab?

Vorab: Der Gutachter (Pflegefachkraft oder Arzt) wird niemals unangemeldet vorbeikommen, sondern immer einen Termin mit dir oder deinen Angehörigen vereinbaren.

Anhand der vorliegenden Unterlagen, wie z.B. Arztberichten und eines Gesprächs mit dem potenziellen Pflegefall und den Angehörigen wird die Selbstständigkeit und Fähigkeit in den folgenden 6 Lebensbereichen beurteilt.

  • Mobilität
  • kognitive und kommunikative Fähigkeiten
  • Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
  • Selbstversorgung
  • Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen
  • Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte

Für jeden dieser 6 Lebensbereiche werden Punkte vergeben, aus denen sich schlussendlich der Pflegegrad ergibt.

Nach der Beurteilung wird das Gutachten an die jeweilige Pflegekasse bzw. private Krankenversicherung weitergeleitet, welche die abschließende Entscheidung über den Antrag auf Pflegebedürftigkeit trifft.

Pflegegrad 1-5

(Für eine bessere Lesbarkeit der Tabelle auf dem Smartphone, bitte im Querformat anschauen.)

PflegegradGrad der SelbstständigkeitPunktzahl
Pflegegrad 1geringe Beein­träch­tigung12,5-27
Pflegegrad 2erheb­liche Beein­träch­tigung27-47,5
Pflegegrad 3schwere Beein­träch­tigung47,5 bis unter 70
Pflegegrad 4schwerste Beein­träch­tigung70 bis unter 90
Pflegegrad 5schwerste Beein­träch­tigung mit beson­deren Anfor­derungen an die pfle­gerische Versor­gung90-100

Im Internet gibt es diverse Pflegerechner, um eine erste Einschätzung des Pflegegrades zu erhalten. Einen guten Rechner findest du z.B. bei pflege.de.

Leistungen

Du hast gelernt, dass es mit der gesetzlichen und privaten Pflegepflichtversicherung 2 separate Systeme gibt, welche sich u.a. hinsichtlich der Beitragsermittlung unterscheiden.

Bei den Leistungen hingegen gibt es keine Unterschiede. Die Leistungen aus der gesetzlichen Pflegepflichtversicherung entsprechen den Leistungen aus der privaten Pflegepflichtversicherung.

Die Höhe der Leistungen hängt im Wesentlichen vom ermittelten Pflegegrad ab. Nachfolgend haben wir dir eine Übersicht über die Leistungen aus der Pflegepflichtversicherung zusammengestellt.

(Für eine bessere Lesbarkeit der Tabelle auf dem Smartphone, bitte im Querformat anschauen.)

LeistungPG1PG2PG3PG4PG5
Pflegegeld (monatlich)-332 €573 €765 €947 €
Pflegesachleistungen (monatlich)-761 €1.432 €1.778 €2.200 €
Tages- und Nachtpflege (monatlich)-689 €1.298 €1.612 €1.995 €
Kurzzeitpflege (jährlich)-1.774 €1.774 €1.774 €1.774 €
Verhinderungspflege (jährlich)-1.612 €1.612 €1.612 €1.612 €
Vollstationäre Pflege (monatlich)-770 €1.262 € 1.775 €2.005 €
Betreuungs- und Entlastungsleistungen (monatlich)125 €125 €125 €125 €125 €
Zum Verbrauch best. Pflegehilfsmittel (monatlich)bis zu 40 €bis zu 40 €bis zu 40 €bis zu 40 €bis zu 40 €
Hausnotruf (monatlich)25,50 €25,50 €25,50 €25,50 €25,50 €
Wohnraumanpassung (je Gesamtmaßnahme)4.000 €4.000 €4.000 €4.000 €4.000 €
Wohngruppenzuschuss (monatlich)214 €214 €214 €214 €214 €

Wichtig: Pflege ist immer sehr individuell. Mit dieser Übersicht wollen wir nur grob die Leistungen der Pflegepflichtversicherung darstellen. Bei einem tatsächlichen Pflegefall unterstützen dich die Experten der Pflegekassen und privaten Krankenversicherer bei der Wahl der richtigen Maßnahmen.

Anhand der Übersicht wird jedoch noch nicht klar, wie die Höhe der Leistungen einzuschätzen ist.

Was bedeuten 2005 Euro bei Pflegegrad 5 bei einer vollstationären Pflege in der Realität? Reicht das überhaupt?

Leistungslücken

Was für Pflegekosten können in der Realität auf dich und deine Angehörigen zukommen?

Reichen die Mittel aus der Pflegepflichtversicherung, um diese Kosten zu decken?

Anhand von ausgewählten Beispielen werden wir diese Fragen beantworten.

Stationäre Pflege

Bei einer vollstationären Pflege erhältst du bei Pflegegrad 3 aus der Pflegepflichtversicherung monatlich 1.262 Euro. Die tatsächlichen Kosten für einen Heimplatz liegen jedoch bei ca. 3.640 Euro im Monat. Es bleibt eine Lücke von monatlich 2.378 Euro.

Ähnlich sieht es auch bei den anderen Pflegegraden aus, wobei der Eigenanteil bei Pflegegrad 1, aufgrund der fehlenden Leistung aus der Pflegepflichtversicherung, noch etwas höher ausfällt.

Ambulante Pflege

Auch bei der ambulanten Pflege wie der Tagespflege gibt es Leistungslücken, welche jedoch geringer als bei der stationären Pflege ausfallen. Logisch, denn die Erstattung aus der Pflegepflichtversicherung ist nahezu identisch, die Kosten jedoch deutlich niedriger.

Die Kosten für eine ambulante Tagespflege liegen bei ca. 1.700 – 2.300 Euro im Monat (je nach Pflegegrad). Große Leistungslücken entstehen hier v.a. bei niedrigen Pflegegraden. So müssen bei Pflegegrad 1 die Kosten von ca. 1.700 Euro vollständig selbst finanziert werden.

Häusliche Pflege

Zwischen der stationären und ambulanten Pflege gibt es noch den Mittelweg der häuslichen Pflege. Die Kosten liegen hier bei Pflegegrad 5 bei ca. 3.360 Euro, sodass auch hier fast 1.400 Euro Eigenleistung übrig bleiben.

Unser Fazit zu den Leistungslücken

Vorab: Alle dargestellten Kosten sind selbstverständlich nur Beispiele. Die Preise variieren u.a. je nach gewünschter Versorgung und Bundesland. Aber unsere Übersicht bietet trotzdem einen ersten Einblick in die möglichen Kosten.

Wie du siehst ist die Pflegepflichtversicherung nicht so konzipiert, dass alle Kosten abdeckt werden. Je nach Pflegegrad und gewünschter Versorgung muss ein nicht unerheblicher Teil selbst getragen werden.

Diese Lücke kann durch eine private Pflegezusatzversicherung geschlossen werden.

Pflegelückenrechner

Mit dem Pflegelückenrechner von Smart-Rechner kannst du deine individuelle Leistungslücke kinderleicht berechnen.

Da wir im Abschnitt Leistungslücken andere Quellen verwendet haben, kann es zu Abweichungen der Lücken kommen. Das zeigt nochmal, dass das Thema Pflegekosten sehr individuell ist.

Über den Autor

Tobias Weßler
Chief Content Manager