Teilzeit wird in Deutschland immer beliebter. Doch was passiert eigentlich, wenn ich berufsunfähig werde, während ich in Teilzeit angestellt bin? Für solche Fälle haben einige BU-Versicherer die sogenannte Teilzeitklausel eingeführt. Was die Teilzeitklausel ist, wann sie greift und ob sie für den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung überhaupt wichtig ist, erklären wir in diesem Experten-Artikel.
Inhaltsübersicht
Fast 30% in Deutschland arbeiten in Teilzeit
Laut dem Statistischen Bundesamt hatten im Jahr 2022 12,5 Millionen Menschen in Deutschland eine Teilzeitstelle. Das sind fast 30% aller Beschäftigten. Für Teilzeit gibt es viele Gründe. Egal, ob es für die Kindererziehung oder die Pflege von Angehörigen ist oder man einfach mehr Freizeit haben will.
Das Risiko, berufsunfähig zu werden, sinkt zwar in der Regel ein wenig durch die reduzierte Arbeitszeit und entsprechend weniger Stress, dennoch bleibt das Risiko einer Berufsunfähigkeit hoch, weshalb auch Teilzeitkräfte nicht auf eine Berufsunfähigkeitsversicherung verzichten sollten.
Wenn Teilzeitkräfte neben der Arbeit noch die Pflege von Angehörigen und/oder die Kindererziehung übernehmen, könnte man andererseits auch argumentieren, dass insbesondere diese Personen aufgrund der Mehrfachbelastung ein hohes Risiko für Berufsunfähigkeit haben.
Teilzeit = theoretisch 75% Berufsunfähigkeit erforderlich
Als berufsunfähig gilt man, wenn man nur noch 50% oder weniger seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten ausüben kann.
Über 80% der BU-Anträge werden genehmigt
Grundsätzlich werden über 80% der Anträge auf Berufsunfähigkeit genehmigt. Wenn man jedoch auf die Ablehnungsgründe schaut, stellt man fest, dass ca. 32% der Ablehnungen auf die Nichterreichung des notwendigen BU-Grades von 50% zurückzuführen sind.
Qualität und Quantität der Arbeit ist relevant
Bei der Berechnung des BU-Grades wird neben der Qualität (Ergebnis der Arbeit) auch die Quantität (Zeitaufwand für einzelne Tätigkeiten) berücksichtigt.
Wenn man also eine klassische Vollzeitstelle mit 40 Stunden die Woche hat und 20 Stunden oder weniger die Woche arbeiten kann, ist der erforderliche BU Grad von 50% aus quantitativer Sicht erreicht.
50% BU-Grad ist in der Theorie in Teilzeit schwieriger zu erreichen
Bei der Teilzeitstelle mit vorwiegend 20 Stunden die Woche muss man dementsprechend weniger als 10 Stunden in der Woche arbeiten können, um Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung zu erhalten.
Um 10 Stunden oder weniger arbeiten zu können, muss mal also “kränker” bzw. “berufsunfähiger” sein als der klassische Vollzeitangestellte. Also muss man als Teilzeitangestellter nicht 50% berufsunfähig sein, sondern quasi 75%.
Wie funktioniert eine Teilzeitklausel?
Da sich die Teilzeitklauseln der verschiedenen Versicherer stark voneinander unterscheiden, ist es schwer eine pauschale Aussage zu treffen.
Grundsätzlich kann man jedoch sagen, dass die berücksichtigte Arbeitszeit, die für die Berechnung des BU-Grades relevant ist, ansteigt und in den meisten Fällen, denen eines Vollzeitangestellten ähnelt.
Also muss man nicht mehr 10 Stunden oder weniger arbeiten können, sondern eventuell weniger als 15 oder gar 20 Stunden die Woche. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Antrag auf Berufsunfähigkeit angenommen wird.
Einige BU-Versicherer berücksichtigen zudem den Zeitaufwand, der für die Pflege von Angehörigen oder für die Erziehung von Kindern anfällt als Arbeitszeit.
In diesen Fällen zahlt die BU-Versicherung auch ohne Teilzeitklausel
In den meisten Situationen ist keine Teilzeitklausel notwendig. Die BU-Versicherung zahlt in diesem Fall auch ohne Teilzeitklausel.
Die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit wird aufgrund von gesundheitlichen Beschwerden reduziert
Denn in den Versicherungsbedingungen wird die zuletzt ausgeübte Tätigkeit „ohne gesundheitliche Beeinträchtigung“ als Grundlage für die Berechnung der Berufsunfähigkeit herangezogen. Hierbei wird also so oder so die Vollzeittätigkeit berücksichtigt.
Temporäre Reduzierung der Arbeitszeit aufgrund von Elternzeit bzw. Kindererziehung
Hier greift ein Urteil des BGH aus 2011 (Urteil v. 30.11.2011, IV ZR 143/10). Die Leistungsprüfung muss anhand der vorher ausgeübten Tätigkeit erfolgen. Auch ohne Teilzeitklausel.
Aufnahme einer Teilzeittätigkeit aufgrund der Pflege eines Angehörigen
In diesem Fall (Urteil v. 30.11.2015, 8 U 697/14) hat das OLG Nürnberg bestätigt, dass auch hier die Prüfung, ob man Leistungen aus einer BU-Versicherung bekommt, auf Basis der zuvor ausgeübte Vollzeittätigkeit zu prüfen ist.
Ist ein Teilzeitklausel relevant für den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung?
Da die Teilzeitklausel erst 2019 eingeführt wurde und es bisher wenig bekannte Fälle gibt, in welchen die Teilzeitklausel Anwendung gefunden hat, ist es schwer die Relevanz richtig einzuschätzen.
Durch die oben genannten Gerichtsurteile bei Reduzierung der Arbeitszeit aufgrund von gesundheitlichen Beschwerden, Kindererziehung und der Pflege von Angehörigen, ist die Teilzeitklausel in vielen Fällen quasi bereits “gesetzlich” vorhanden. Weitergehend spielt neben der Quantität auch die Qualität der Arbeit eine Rolle, weshalb der rein zeitliche Aspekt der Teilzeitklausel oftmals nicht ausreichend ist.
Relevant kann eine Teilzeitklausel in der BU-Versicherung jedoch werden, wenn man plant (im Alter) in Teilzeit zu gehen, um mehr Freizeit zu haben. Hier gibt es kein bestehendes Gerichtsurteil, sondern müsste hier eben die Teilzeitklausel greifen.
Wenn das Thema Teilzeitarbeit für dich relevant ist, kannst du dich gerne von einem unserer Experten zu diesem Thema beraten lassen. Auch wenn du bereits eine bestehende Berufsunfähigkeitsversicherung hast, kann es sich für dich lohnen, deinen Vertrag in unserem kostenlosen & unverbindlichen BU-Check auf Herz und Nieren durchchecken zu lassen.