Auch wenn eine Berufsunfähigkeit in den meisten Fällen nicht mit einer Erwerbsminderung verbunden ist, gibt es dennoch Situationen, in denen beide zusammenfallen. Du hast in diesem Fall Ansprüche gegen deinen Versicherer auf der einen und gegen die Deutsche Rentenversicherung auf der anderen Seite. Doch wird deine Berufsunfähigkeitsrente auf die Erwerbsminderungsrente angerechnet – oder ist es sogar andersherum?
Erwerbsminderungsrente vs. Berufsunfähigkeitsrente: Was sind die Unterschiede?
Auch wenn Berufsunfähigkeitsrente und Erwerbsminderungsrente oftmals fälschlicherweise synonym verwendet werden, gibt es zwischen ihnen doch gravierende Unterschiede. Ein kurzer Überblick:
- Die Erwerbsminderungsrente ist eine Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung. Sie wird gezahlt, wenn du in keinem Beruf mehr als sechs Stunden pro Tag (teilweise Erwerbsminderung) oder mehr als drei Stunden pro Tag (volle Erwerbsminderung) arbeiten kannst.
- Die Berufsunfähigkeitsrente ist eine private Versicherungsleistung, die dir nur dann zusteht, wenn du eine entsprechende Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen hast. Der Versicherer zahlt die Rente in der vertraglich vereinbarten Höhe aus, wenn du deinen zuletzt ausgeübten Beruf für mindestens sechs Monate nur noch zu 50% oder weniger ausüben kannst.
BU-Rente ist viel leichter zu erhalten
Der wesentliche Unterschied zwischen den Leistungen besteht also darin, dass die Berufsunfähigkeitsversicherung immer den konkreten Beruf versichert, dir eine Erwerbsminderungsrente aber nur dann zusteht, wenn du in keinem Beruf mehr arbeiten kannst. Somit ist es viel leichter, eine BU-Rente als eine EM-Rente zu erhalten.
Daraus folgt, dass man bei Erwerbsminderung in der Regel auch berufsunfähig ist, aber umgekehrt ist das nur selten der Fall.
Höhe Erwerbsminderungsrente und Berufsunfähigkeitsrente
Das zweite große Problem bei der Erwerbsminderungsrente ist die Höhe. So bekommst du bei voller Erwerbsminderung nur ca. 30-40% deines letzten Bruttoeinkommens (die Hälfte bei teilweiser Erwerbsminderung). Das wird jedoch niemals reichen, um den bisherigen Lebensstandard zu halten.
Bei der Berufsunfähigkeitsversicherung hingegen kannst du die Höhe deiner BU-Rente selbst bestimmen, sodass du im Falle einer Berufsunfähigkeit deinen bisherigen Lebensstandard halten kannst.
Erwerbsminderungsrente und Berufsunfähigkeitsrente zusammen beziehen: Was wird angerechnet?
Bei der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente handelt es sich um eine Leistung der Deutschen Rentenversicherung. Demgegenüber steht die Berufsunfähigkeitsversicherung als sogenannte Summenversicherung, die auf privatrechtlichen Vereinbarungen basiert. Dies führt zu Unterschieden bei der Anrechnung von anderen Bezügen.
EM-Rente und BU-Rente: Unterschiede bei der Anrechnung
- Auf die Erwerbsminderungsrente wird sogenanntes Arbeitseinkommen angerechnet. Hierunter fällt z.B. jedes Einkommen aus aktiver Arbeit, egal ob angestellt oder selbstständig. Kein Erwerbseinkommen sind z.B. BU-Renten und Erträge aus Vermietung und Verpachtung.
- Auf die Berufsunfähigkeitsrente wird keinerlei Einkommen angerechnet. Grund hierfür ist, dass die Police eine sogenannte Summenversicherung darstellt und immer die versicherte Summe ausgezahlt wird, wenn der Versicherungsfall eintritt. Ein Bereicherungsverbot existiert hier nicht, weshalb z.B. auch eine BU-Rente von 2.500 Euro ungekürzt ausgezahlt wird, wenn du vor Eintritt der Berufsunfähigkeit nur 2.000 Euro verdient hast.
Fazit also: Nein, eine Erwerbsminderungsrente steht dir auch bei Bezug einer Berufsunfähigkeitsrente in voller Höhe zu. Hierbei spielt es übrigens auch keine Rolle, ob du eine teilweise oder eine volle Erwerbsminderungsrente beziehst. Die Deutsche Rentenversicherung rechnet nur Arbeitseinkommen und vergleichbare Einkommen auf die EM-Rente an, nicht aber die BU-Rente.
Erwerbsminderungsrente auf keinen Fall bei der Höhe der Berufsunfähigkeitsrente mit einbeziehen
Da beide Renten zusammen bezogen werden können, könnte man meinen, dass man bei der Ermittlung der Höhe der BU-Rente eine mögliche EM-Rente mit einbeziehen sollte. Das ist jedoch ein großer Fehler, der unbedingt vermieden werden sollte.
Der Grund dafür ist, wie bereits beschrieben, dass eine EM-Rente deutlich schwerer zu erhalten ist als eine BU-Rente. Somit könnte dir ein großer Teil deiner benötigten Einnahmen fehlen, wenn du „nur“ berufsunfähig, aber nicht erwerbsgemindert bist.
Bürgergeld wird auf BU-Rente und teilweise EM-Rente angerechnet
Im Gegensatz zur Erwerbsminderungsrente wird Bürgergeld auf die Berufsunfähigkeitsrente angerechnet. Demnach ist es ein großer Fehler, nur eine geringe BU-Rente von unter 1.000 Euro zu versichern, da man bei dieser Höhe der BU-Rente wahrscheinlich Bürgergeld beantragen müsste, welches dann jedoch auf die BU-Rente angerechnet wird. Somit hätte man sich die Kosten für die Berufsunfähigkeitsversicherung auch sparen können.
Wir hatten bereits beschrieben, dass Einkommen auf die EM-Rente angerechnet wird. Und Bürgergeld zählt als solches Einkommen. Das gilt jedoch nur für die teilweise Erwerbsminderungsrente, da bei voller Erwerbsminderungsrente kein Anspruch auf Bürgergeld besteht.
Wie kann ich mich optimal versichern?
Grundsätzlich lässt sich hier sagen, dass du den bestmöglichen Schutz ausschließlich mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung erhältst. Warum dies der Fall ist, zeigt folgendes Beispiel:
Max arbeitet bislang als Chirurg und ist aufgrund eines Tremors (Zittern) berufsunfähig. „Normal weiterleben“ kann er allerdings, lediglich präzise Handarbeiten sind ihm nicht mehr möglich.
Max erhält aus seiner Berufsunfähigkeitsversicherung die vereinbarte Monatsrente (z.B. 3.000 Euro), weil er in seinem konkreten Beruf als Chirurg nicht mehr arbeiten kann.
Damit Max aber auch eine EM-Rente erhalten kann, darf er pro Tag maximal sechs Stunden in irgendeinem Beruf arbeiten können. Die Deutsche Rentenversicherung prüft also beispielsweise, ob Max als Callcenter-Mitarbeiter tätig sein kann – und kommt zum Ergebnis, dass dies trotz Tremor möglich ist. Hierdurch liegt keine Erwerbsminderung vor.