Berufsunfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit, Erwerbsminderung und Arbeitsunfähigkeit.

Viele Begriffe und viele verschiedene Bedeutungen. In diesem Experten-Artikel beleuchten wir die Unterschiede, Gemeinsamkeiten, Stolpersteine und Voraussetzungen, wie man Leistungen erhält, wenn man etwas davon ist. Zudem geben wir nützliche Tipps, die man auf jeden Fall beachten sollte, wenn man sich dagegen absichert.

Wichtige Infos auf einen Blick

  • Während bei der Berufsunfähigkeit die zuletzt ausgeübte Tätigkeit betrachtet wird, wird bei der Erwerbsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung die allgemeine Arbeitskraft betrachtet.
  • Erwerbsunfähigkeit und Erwerbsminderung ist im Prinzip das Gleiche.
  • Mit Einführung der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente wurde die gesetzliche Erwerbsunfähigkeitsrente abgeschafft. Trotzdem wird häufig noch von Erwerbsunfähigkeit geredet, obwohl eigentlich Erwerbsminderung gemeint ist.
  • Die Leistung aus der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente reicht nicht aus, um den bisherigen Lebensstandard zu halten, weshalb eine private Arbeitskraftabsicherung für jeden sinnvoll ist, der auf sein aktives Arbeitseinkommen angewiesen ist.
  • In den meisten Fällen ist eine private Berufsunfähigkeitsversicherung sinnvoller als eine private Erwerbsunfähigkeitsversicherung, da man die Leistung deutlich einfacher erhält.

Auch im Video: Berufsunfähigkeit, Arbeitsunfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit und Erwerbsminderung: Unterschiede erklärt

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Erwerbsunfähigkeit ist gleich Erwerbsminderung

Im Jahr 2001 wurde mit Einführung der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente die gesetzliche Erwerbsunfähigkeitsrente abgeschafft. Dadurch hat sich nicht nur der Begriff von Erwerbsunfähigkeit auf Erwerbsminderung geändert, sondern es haben sich auch die Voraussetzungen, um die Erwerbsminderungsrente zu erhalten, deutlich erschwert. Zudem ist der Leistungsumfang der Erwerbsminderungsrente zurückgegangen.

Trotz dieser Unterschiede wird vor allen Dingen in der Versicherungsbranche häufig noch von der Erwerbsunfähigkeit gesprochen, obwohl eigentlich die Erwerbsminderung gemeint ist. Das kann auch damit zusammenhängen, dass es eine private Erwerbsunfähigkeitsversicherung gibt, welche die gesetzliche Erwerbsminderungsrente ergänzt. Dazu aber später mehr.

Unterschied Berufsunfähigkeit und Erwerbsminderung

Der größte Unterschied zwischen Berufsunfähigkeit und Erwerbsminderung liegt darin, dass bei der Erwerbsminderung die Arbeitsfähigkeit im Allgemeinen betrachtet wird. Hier wird geschaut, ob man dem Arbeitsmarkt weniger als 3 (volle Erwerbsminderung) bzw. weniger als 6 Stunden (halbe Erwerbsminderung) pro Tag in irgendeiner Form zur Verfügung steht. Also auch Tätigkeiten, die mit der Ausbildung oder dem zuletzt ausgeübten Beruf nichts zu tun haben.

Bei der Berufsunfähigkeit wird ausschließlich die zuletzt ausgeübte Tätigkeit geprüft. Wenn man diese nur noch zu 50% oder weniger über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten ausüben kann, gilt man als berufsunfähig.

Da es für alle, die nach dem 01.01.1961 geborenen sind, keine Leistung vom Staat bei Berufsunfähigkeit gibt, ist bei Berufsunfähigkeit mittlerweile in der Regel die private Berufsunfähigkeitsversicherung gemeint.

Es lässt sich festhalten, dass man in der Regel berufsunfähig ist, wenn man erwerbsunfähig bzw. erwerbsgemindert ist, aber nicht umgekehrt.

Beispiel Berufsunfähigkeit vs. Erwerbsminderung

Wenn ein Taxifahrer z.B. aufgrund einer Beinamputation nicht mehr Taxi fahren kann, weil er dafür beide Beine benötigt und seinen Beruf entsprechend nicht mehr ausüben kann, gilt er als berufsunfähig.

Weil er jedoch noch als Kassierer oder als Pförtner arbeiten kann, wo er im Sitzen mit seinen Händen Aufgaben ausführen kann, gilt er jedoch nicht als erwerbsgemindert und bekommt keine Leistung vom Staat. 

Da bei Berufsunfähigkeit nur die zuletzt ausgeübte Tätigkeit geprüft wird, ist es deutlich einfacher als berufsunfähig diagnostiziert zu werden und entsprechende Leistungen zu erhalten, als bei der Erwerbsminderung. Und nun zum letzten Begriff: Arbeitsunfähigkeit.

Auch im Video: Berufsunfähig oder Erwerbsunfähig

Arbeitsunfähigkeit ist quasi Berufsunfähigkeit auf Zeit

Wenn jemand arbeitsunfähig ist, bedeutet es, dass er seine Tätigkeit über einen gewissen Zeitraum nicht ausüben kann. Arbeitsunfähig waren wir wahrscheinlich alle schon mal. Ob mit einer Grippe im Bett oder einem Hexenschuss im Rücken. Arbeitsunfähigkeit ist also die klassische Krankschreibung durch einen Arzt. Umgangssprachlich spricht man hier auch vom “gelben Schein”.

Im Gegensatz zur Berufsunfähigkeit besteht eine Arbeitsunfähigkeit jedoch nicht dauerhaft. Da es bei Beginn einer Erkrankung in den meisten Fällen nicht klar ist, ob die Erkrankung dauerhaft besteht, ist man in der Regel zunächst arbeitsunfähig und wird bei einer dauerhaften Beeinträchtigung berufsunfähig bzw. auch erwerbsgemindert.

Auch im Video: Arbeitsunfähig oder Berufsunfähig

Welche Arbeitskraftabsicherungen gibt es?

Da wir nun die verschiedenen Begriffe geklärt haben, schauen wir uns im Folgenden im Detail an, welche Möglichkeiten der Arbeitskraftabsicherung es hierfür gibt. Dafür werfen wir zunächst einen Blick auf die gesetzliche Absicherung und schauen uns anschließend die Möglichkeiten an, wie man sich privat absichern kann.

Bei der privaten Arbeitskraftabsicherung gibt es noch weitere Möglichkeiten, welche sich jedoch nicht auf Berufsunfähigkeit oder Erwerbsminderung beziehen, weshalb wir auf diese nicht eingehen. Ausführliche Informationen dazu findest du im verlinkten Artikel über die Alternativen zur Berufsunfähigkeitsversicherung.

Gesetzliche Arbeitskraftabsicherung

Erstmal das Positive. Unter bestimmten Voraussetzungen bist du in Deutschland abgesichert, wenn du nicht mehr arbeiten kannst. Hierbei kommt es jedoch zu großen Unterschieden, je nach Dauer, wie lange man nicht mehr arbeiten kann.

100% Lohnfortzahlung vom Arbeitgeber bei maximal 6 Wochen Krankheit

Solltest du 6 Wochen oder weniger nicht mehr arbeiten können, bekommst du von deinem Arbeitgeber die sogenannte Lohnfortzahlung in Höhe von 100% deines Nettogehaltes. In dieser Zeit ist man in der Regel arbeitsunfähig.

Krankengeld bei längerer Krankheit

Wenn du nach 6 Wochen immer noch krankgeschrieben bist, bekommst du Krankengeld von der gesetzlichen Krankenkasse. Hier musst du bereits mit Einkommenseinbußen rechnen, da das Krankengeld auf 70% vom Brutto bzw. maximal 90% vom Netto begrenzt ist. Zudem ist die Leistungsdauer auf maximal 72 Wochen beschränkt. Mit einer privaten Krankentagegeldversicherung kannst du dich gegen diese Einkommenseinbußen absichern.

Auch hier ist es möglich nur arbeitsunfähig zu sein, weil die Erkrankung voraussichtlich nicht dauerhaft ist. Nach 78 Wochen gibt es jedoch keine Leistung mehr vom Staat, außer man ist erwerbsgemindert.

BU-Versicherung ist vorteilhafter als Erwerbsminderungsrente

Wie bereits beschrieben, erhält man eine Berufsunfähigkeitsrente, wenn man voraussichtlich länger als 6 Monate zu weniger als 50% seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit nachgehen kann. Da die Berufsunfähigkeitsversicherung im Optimalfall in der Höhe abgeschlossen wurde, mit der man seinen Lebensstandard halten kann, ist es vorteilhaft die Leistung so früh wie möglich zu erhalten.

Anders sieht es bei der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente aus, welche gezahlt wird, wenn man voraussichtlich dauerhaft nur noch weniger als 6 Stunden pro Tag in irgendeinem Beruf arbeiten kann. Bei der Erwerbsminderungsrente wird zwischen 2 Varianten unterschieden, welche jedoch beide nicht reichen, um den bisherigen Lebensstandard zu halten.

Von daher macht es im Gegensatz zu einer Berufsunfähigkeitsversicherung Sinn, zunächst längerfristig Krankengeld von der gesetzlichen Krankenversicherung zu beziehen

Halbe Erwerbsminderungsrente

Die halbe Erwerbsminderungsrente wird gezahlt, wenn man dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch zwischen 3 und 6 Stunden pro Tag zur Verfügung steht. Bei mehr als 6 Stunden gibt es keine Leistung vom Staat.

Volle Erwerbsminderungsrente

Die volle Erwerbsminderungsrente wird gezahlt, wenn man dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch weniger als 3 Stunden pro Tag zur Verfügung steht. 

Wie hoch ist die Erwerbsminderungsrente?

Da die Erwerbsminderungsrente von der gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt wird, ist es relevant, wie viele Jahre du bereits eingezahlt hast und wie viele Entgeltpunkte du schon gesammelt hast. Ein grober Richtwert für die Höhe der Erwerbsminderungsrente sind ca. 30-40% deines letzten Bruttoeinkommens bei der vollen Erwerbsminderungsrente und ca. 15-20% bei der halben Erwerbsminderungsrente.

Einerseits ist die Leistung schwer zu erreichen und andererseits ist selbst die Höhe der vollen Erwerbsminderungsrente nicht ausreichend, um den bisherigen Lebensstandard zu halten.

Zudem musst du unabhängig von den medizinischen Voraussetzungen in der Regel mindestens 5 Jahre in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert gewesen sein und in den letzten 5 Jahren mindestens 3 Jahre Pflichtbeiträge gezahlt haben, um überhaupt Leistungen zu erhalten.

Private Arbeitskraftabsicherung

Da die Leistung aus der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente nicht reicht, sollte jeder, der auf sein aktives Arbeitseinkommen angewiesen ist, eine private Arbeitskraftabsicherung abschließen.

Berufsunfähigkeitsversicherung

Die bestmögliche Absicherung der eigenen Arbeitskraft ist die Berufsunfähigkeitsversicherung. Diese sichert die zuletzt ausgeübte Tätigkeit ab, weshalb es einfacher ist, Leistungen aus dieser Versicherung zu erhalten, als von der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente.

Zudem kann man in der BU-Versicherung eine Arbeitsunfähigkeitsklausel einbauen, die bereits bei längerer Arbeitsunfähigkeit leistet (meist 4 Monate), weshalb man also nicht erst 6 Monate oder länger krank bzw. berufsunfähig sein muss. Die AU-Klausel wird häufig auch Arbeitsunfähigkeitsversicherung genannt, ist jedoch keine eigenständige Versicherung.

Sinnvoll ist die AU-Klausel, weil eine Berufsunfähigkeit nicht immer direkt diagnostiziert wird. Wenn es z.B. bis zur endgültigen Diagnose 1 Jahr dauert, bekommst du mit der AU-Klausel frühzeitig eine Leistung, weil bereits die Arbeitsunfähigkeit hierfür ausreicht.

Egal ob mit oder ohne AU-Klausel. Bei einer guten BU-Versicherung wird die Leistung immer rückwirkend ab dem 1. Tag der Erkrankung gezahlt.

Erwerbsunfähigkeitsversicherung

Wenn man jedoch keine Möglichkeit hat, seine Arbeitskraft über eine Berufsunfähigkeitsversicherung abzusichern, da man einerseits in einem körperlichen Beruf wie Handwerker arbeitet und gute Berufsunfähigkeitsversicherungen schnell sehr teuer werden können, oder man andererseits aufgrund von gesundheitlichen Problemen abgelehnt wird, gibt es eine Alternative – die private Erwerbsunfähigkeitsversicherung.

Die Erwerbsunfähigkeitsversicherung ist das Pendant der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente, jedoch in deutlich leistungsstärker. Diese sichert wie auch schon die Erwerbsminderungsrente den Verlust der allgemeinen Arbeitskraft ab und ist nicht an die zuletzt ausgeübte Tätigkeit gebunden. Das bedeutet, dass auch hier wie bei der Erwerbsminderung geschaut wird, ob und wie lange man dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung steht.

Der große Vorteil der Erwerbsunfähigkeitsversicherung zur Erwerbsminderungsrente ist, dass man sich die Höhe der Leistung frei aussuchen kann und diese nicht gesetzlich festgelegt ist. Zudem ist man nach Abschluss einer Erwerbsunfähigkeitsversicherung sofort abgesichert und hat keine Wartezeit, die man erfüllen muss, wie in der Erwerbsminderungsrente. Der Nachteil gegenüber der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente ist, dass in der Regel erst geleistet wird, wenn man nur noch weniger als 3 Stunden arbeiten kann.

Wenn du jedoch eine Berufsunfähigkeitsversicherung zu guten Konditionen bekommen kannst, macht die Erwerbsunfähigkeitsversicherung keinen Sinn.

Vergleich Berufsunfähigkeitsversicherung, Erwerbsunfähigkeitsversicherung und Erwerbsminderungsrente

  Gesetzliche Erwerbsminderungsrente Private Erwerbsunfähigkeitsversicherung Private Berufsunfähigkeitsversicherung
Wann leistet die Versicherung? Wenn man weniger als 6 Stunden pro Tag dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung steht. Wenn man weniger als 3 Stunden pro Tag dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung steht. Wenn man die zuletzt ausgeübte Tätigkeit über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten zu weniger als 50% ausüben kann.
Wie hoch ist die Leistung? Höhe der Leistung ist abhängig von den Beitragsjahren in der GRV und den gesammelten Entgeltpunkten und wird von der GRV festgelegt. Höhe der Rente wird individuell im Versicherungs­vertrag vereinbart. Höhe der Rente wird individuell im Ver­sicherungs­vertrag vereinbart.

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Über den Autor

Tobias Weßler
Chief Content Manager