Das deutsche Sozialversicherungsrecht kennt in nahezu jedem Bereich verschiedenste Einkommensgrenzen. Für die private Krankenversicherung (PKV) ist dabei vor allem die Versicherungspflichtgrenze bzw. Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG) relevant. Gleichzeitig ist die Frage, ab wann du dich überhaupt privat krankenversichern darfst, nicht für alle Berufsgruppen gleich zu beantworten. Für Beamte und Selbstständige gibt es beispielsweise Ausnahmen.
Inhaltsübersicht
- Bedeutung der Jahresarbeitsentgelts- bzw. Versicherungspflichtgrenze in der PKV
- Berechnung der Entgeltgrenze: Diese Zahlungen gehören zum Einkommen
- Die Entgeltgrenze der privaten Krankenversicherung steigt – was tun?
- Die Grenzen der privaten Krankenversicherung: Beitragsbemessungs- oder Versicherungspflichtgrenze?
- Exkurs: Besondere Versicherungspflichtgrenze ab 2003
Bedeutung der Jahresarbeitsentgelts- bzw. Versicherungspflichtgrenze in der PKV
Bevor wir uns die praktische Bedeutung der Versicherungspflichtgrenze etwas genauer anschauen, werfen wir einen Blick auf die aktuellen Zahlen. Als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer muss dein Bruttoeinkommen im Jahr vor dem Wechsel und im Jahr des Wechsels in die private Krankenversicherung
- mindestens 66.600 Euro betragen, wenn du 2023 in die private Krankenversicherung wechselst, und
- mindestens 69.300 Euro betragen, wenn du im Jahr 2024 in die PKV eintreten möchtest.
Wie gesagt, dies betrifft nur Angestellte. Beamte, Selbstständige und Studenten unterliegen anderen Vorschriften, aber dazu später mehr.
Grundsatz: Du möchtest in die PKV wechseln und bist angestellt
Angestellte sind mit wenigen Ausnahmen (etwa GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer) immer sozialversicherungspflichtig. Sie fallen damit unter die Regelungen des SGB V, wo unter anderem die vom Gesetzgeber jährlich neu festzulegende Versicherungspflichtgrenze oder Jahresarbeitsentgeltgrenze geregelt ist.
Es gilt also der Grundsatz, dass du als Arbeitnehmer stets gesetzlich versichert sein musst. Überschreitet dein Einkommen allerdings die Grenze, bist du versicherungsfrei. Du kannst dann selbst entscheiden, ob du in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bleibst oder in die private Krankenversicherung wechselst.
Entscheidest du dich für den Wechsel, hast du als Angestellter weiterhin Anspruch auf einen Arbeitgeberzuschuss. Wie hoch der Arbeitgeberanteil bei Privatversicherten ausfällt, kannst du im verlinkten Artikel nachlesen.
PKV für Angestellte bei einem Jobwechsel
In der Regel musst du im Vorjahr und voraussichtlich im aktuellen Jahr über der JAEG verdienen, um als Angestellter in die PKV wechseln zu können. Es gibt jedoch Ausnahmen, etwa bei einem Jobwechsel oder beim ersten Job mit einem Gehalt über der JAEG.
Wenn du beispielsweise 2023 unterhalb der JAEG verdient hast und ab dem 01.01.2024 eine neue Stelle oberhalb der JAEG bei einem anderen Arbeitgeber antrittst, kannst du dich ab dem 01.01. direkt in der PKV versichern.
Das gilt auch, wenn du nur theoretisch über der JAEG verdienen würdest. Beginnst du den neuen Job mit einem Gehalt über der JAEG erst zum 01.07.2024, ist der Wechsel in die PKV ebenfalls direkt möglich.
Für wen die Jahresarbeitsentgeltgrenze keine Rolle spielt
Im Wesentlichen gibt es zwei Berufsgruppen, die quasi „von Haus aus“ versicherungsfrei sind. Bei ihnen kommt es also nicht auf das Einkommen, sondern ausschließlich auf den beruflichen Status an. Sind die individuellen Voraussetzungen des Versicherers (u.a. Gesundheitsprüfung) erfüllt, kannst du dich als eine der folgenden Personen immer privat krankenversichern.
Beamte
Beamtinnen und Beamte, Richter sowie Soldaten und ihre Angehörigen erhalten vom Dienstherrn Beihilfe. Der Staat übernimmt mindestens 50% der Behandlungs- und Krankheitskosten. Für die verbleibenden Aufwendungen ist diese Berufsgruppe versicherungsfrei, wobei sich die PKV in den meisten Fällen mehr lohnt als der gesetzliche Schutz.
Selbstständige
Freiberufler, Unternehmer, niedergelassene Ärzte und Co.: Wer selbstständig ist, entscheidet selbst, wie er sich versichert. Dabei spielt es keine Rolle, ob du 10.000 oder 200.000 Euro pro Jahr verdienst – der berufliche Status entscheidet. Ein PKV-Versicherer kann dich jedoch im Gegensatz zur GKV auch ablehnen, wenn dein Einkommen aus dessen Sicht zu gering ist. In anderen Worten: In der PKV gibt es im Gegensatz zur GKV keinen Kontrahierungszwang.
GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer
Sie sind zwar bei ihrer eigenen GmbH angestellt und damit eigentlich Arbeitnehmer, durch ihr unternehmerisches Risiko aber auch „irgendwie“ selbstständig. Hier ist ebenfalls eine Befreiung von der gesetzlichen Versicherungspflicht möglich (Stichwort: Statusfeststellungsverfahren).
Wichtig: Bist du angestellt und selbstständig zugleich, gehörst also zu zwei Berufsgruppen, kommt es auf den Hauptberuf an. Auch hier kann eine Statusfeststellung sinnvoll sein. Neben den genannten „Haupt-Berufsgruppen“ gibt es noch einige Personen, für welche die Entgeltgrenze schlicht keine Rolle spielt. Dies sind vor allem Menschen ohne eigenes Einkommen bzw. mit geringem Einkommen (etwa Hausfrauen und Hausmänner), aber auch Studenten.
Übersicht: Ist die Versicherungspflichtgrenze relevant für mich?
Die folgende Tabelle gibt dir einen Überblick über deine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Deine Berufsgruppe | Dein Jahresbruttoeinkommen |
Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer bzw. Arbeiterin oder Arbeiter | 2024: mindestens 69.300 Euro, 2023: mindestens 66.600 Euro |
angestellte Berufsträger (Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater) | 2024: mindestens 69.300 Euro, 2023: mindestens 66.600 Euro |
Freiberufler, Selbstständige und Unternehmer, in der Regel auch Gesellschafter-Geschäftsführer | keine Versicherungspflicht, unabhängig vom Einkommen |
Beamtinnen und Beamte, Soldaten, Richter sowie ggf. Angehörige | keine Versicherungspflicht, unabhängig vom Einkommen |
Studierende | keine Versicherungspflicht, PKV kann aber nur zu bestimmten Zeitpunkten abgeschlossen werden |
Menschen ohne eigenes Einkommen bzw. mit geringerem Einkommen, etwa Hausfrauen und Hausmänner (Mitversicherung bei Partner/in) | PKV möglich, wenn Einkommen unter 505 Euro bzw. 538 Euro bei Minijobs liegt |
Berechnung der Entgeltgrenze: Diese Zahlungen gehören zum Einkommen
Für die Frage, ob Arbeitnehmer in die private Krankenversicherung wechseln können, kommt es ganz wesentlich auf das Überschreiten der Versicherungspflichtgrenze an. Möglicherweise lag dein Bruttogehalt im letzten Jahr aber nur wenige Euro über der Grenze. Du fragst dich daher, welche laufenden und welche Einmalzahlungen einen Einfluss auf die Entgeltgrenze der privaten Krankenversicherung haben.
Der Gesetzgeber definiert den Begriff „Arbeitsentgelt“ in § 14 Absatz 1 Satz 1 SGB IV wie folgt:
Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden.
Auch wenn dieser Satz zunächst so klingt, als wären faktisch alle Einnahmen einzubeziehen, so gibt es doch einige Ausnahmen. Die häufigsten haben wir dir in einer Tabelle zusammengestellt.
Art der Zahlung/Quelle | Teil des regelmäßigen Arbeitsentgelts? |
Monatliches Bruttogehalt | Ja |
Vertraglich vereinbartes und/oder regelmäßig gezahltes Weihnachtsgeld | Ja |
Urlaubsgeld | Ja |
Pauschale Überstunden- oder Schichtarbeitsvergütung | Ja |
Vermögenswirksame Leistungen | Ja |
Unregelmäßige Boni, z.B. Gewinnbeteiligung am Jahresende | Nein |
Bezüge aus weiteren Arbeitsverhältnissen (1. Minijob ausgenommen) | Ja |
Einkünfte aus selbstständiger Nebentätigkeit | Nein |
Hinweis: Hast du mehrere Arbeitsverhältnisse, musst du die einzelnen Beträge zusammenrechnen. Sie werden dann gemeinsam als „ein großer Job“ betrachtet. Dabei zählt der 1. Minijob nicht dazu, weil dieser kranken- und pflegeversicherungsfrei ist.
Die Entgeltgrenze der privaten Krankenversicherung steigt – was tun?
Der Gesetzgeber passt die Jahresarbeitsentgeltgrenze für die private Krankenversicherung jedes Jahr an. Dabei richtet er sich nach der allgemeinen Lohnentwicklung, wobei dies in der Regel eine Erhöhung der JAEG zur Folge hat. Würde das allgemeine Lohnniveau allerdings sinken, könntest du auch mit einer Absenkung der Versicherungspflichtgrenze rechnen (§ 6 Absatz 6 Satz 1 SGB V).
Unterschreitung der JAEG als privatversicherter Arbeitnehmer
Als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer kannst du durch die Änderungen aber auch in eine vermeintlich knifflige Situation kommen. Denn wenn dein Gehalt genau auf der Grenze liegt, verdienst du bei einer Anpassung selbiger plötzlich zu wenig für die private Krankenversicherung. Du bist dann wieder gesetzlich versicherungspflichtig. Die GKV-Pflicht beginnt direkt und nicht erst zu Beginn des Folgejahres.
Doch auch hier gibt es eine Lösung: Tritt der genannte Fall ein, kannst du bei einer beliebigen gesetzlichen Krankenkasse einen Befreiungsantrag stellen. Du musst dann nur nachweisen, dass du bereits anderweitig (privat) krankenversichert bist. Der Antrag muss innerhalb von 3 Monaten nach dem Ereignis gestellt werden (§ 8 SGB V).
Achtung: Befreit dich die GKV von der Versicherungspflicht, ist dies für die bestehende Tätigkeit endgültig. Ein „Zurück“ gibt es dann in der Regel nicht mehr. Solltest du jedoch eine neue versicherungspflichtige Tätigkeit aufnehmen, kannst du in die GKV wechseln.
Eine vorübergehende Reduzierung des Einkommens beispielsweise aufgrund von Kurzarbeit hat übrigens keine Auswirkungen auf die Versicherungspflicht. Du bleibst in solchen Fällen versicherungsfrei.
Rückwechsel in die GKV ist möglich
Wenn du jedoch durch die Unterschreitung der JAEG zurück in die GKV wechseln möchtest, ist das bis zum vollendeten 55. Lebensjahr ohne Probleme möglich, da wie bereits beschrieben zunächst die Versicherungspflicht eintritt. Ab 55 Jahren ist ein Rückwechsel in die GKV nur in bestimmten Ausnahmefällen möglich.
Weitere Möglichkeiten zur Befreiung von der Versicherungspflicht
Neben dem Unterschreiten der JAEG durch eine Erhöhung dieser bei gleichem Gehalt gibt es noch folgende weitere Ausnahmen, bei denen du dich als PKV-Versicherter von der Versicherungspflicht in der GKV befreien lassen kannst.
- Wechsel in Teilzeit (mindestens 50% Reduzierung), letzte 5 Jahre vorher keine GKV-Pflicht
- Versicherungspflicht aufgrund von Eltern- oder Pflegezeit
- Bezug von Arbeitslosengeld 1 oder Unterhaltsgeld, letzte 5 Jahre vorher keine GKV-Pflicht
- Studenten, die sich erstmals an einer Hochschule immatrikulieren oder deren Familienversicherung endet
- Rentner, die mit dem Rentenantrag eigentlich in die Krankenversicherung der Rentner aufgenommen würden
Die Grenzen der privaten Krankenversicherung: Beitragsbemessungs- oder Versicherungspflichtgrenze?
Zugegeben, bei den zahlreichen Grenzen, die es je nach Ziel bei der privaten Krankenversicherung zu beachten gibt, kommt man gerne mal durcheinander. Besonders häufig verwechselt werden aber die Versicherungspflicht- auf der einen und die Beitragsbemessungsgrenze auf der anderen Seite. Nur kurz zu den Unterschieden:
- Versicherungspflichtgrenze oder Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG): Liegt dein Einkommen über dem aktuellen Wert, bist du versicherungsfrei. Du entscheidest selbst, ob du in der GKV bleibst oder in die PKV wechselst.
- Beitragsbemessungsgrenze (BBG): Der gesetzliche Krankenversicherungsbeitrag wird maximal von diesem Wert aus berechnet. Die BBG liegt 2024 bei 5.175 Euro pro Monat bzw. 62.100 Euro im Jahr (2023: 4.987,50 bzw. 59.850 Euro). Verdienst du beispielsweise 6.000 Euro brutto, zahlst du auf 825 Euro (Differenz zur BBG) keine Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge mehr.
Für Privatversicherte spielt die BBG meist keine Rolle. Wenn du allerdings Arbeitnehmer bist, betrifft sie dich indirekt. Denn der Arbeitgeber übernimmt deine PKV-Beiträge maximal zu 50%, gedeckelt aber auf den Höchstbeitrag, der in der GKV anfallen würde. Der maximale Arbeitgeberzuschuss zu deiner PKV liegt im Jahr 2024 damit bei 421,76 Euro pro Monat.
Exkurs: Besondere Versicherungspflichtgrenze ab 2003
Neben den „normalen“ Grenzen der privaten Krankenversicherung gibt es seit Anfang 2003 noch die „besondere Versicherungspflichtgrenze“. Hinter ihr steckt der Umstand, dass Beitragsbemessungs- und Jahresarbeitsentgeltgrenze bis zum 31.12.2002 gleich hoch waren. Dies wurde zum 01.01.2003 geändert, indem der Gesetzgeber die Versicherungspflichtgrenze deutlich erhöht hat.
Dadurch wäre folgendes passiert: Arbeitnehmer, deren Jahresbrutto zwar über der alten, aber unter der neuen Versicherungspflichtgrenze lagen, müssten sich „von heute auf morgen“ wieder gesetzlich krankenversichern.
Betroffene Angestellte profitieren daher von einem Bestandsschutz, der ihnen ermöglicht, privat krankenversichert zu bleiben. Dazu musst du der gesetzlichen Krankenkasse lediglich einen Nachweis darüber vorlegen, dass du am 31.12.2002 privat krankenversichert warst.
Die besondere Versicherungspflichtgrenze entspricht immer der aktuellen Beitragsbemessungsgrenze und liegt 2024 bei 62.100 Euro im Jahr.
Wichtig zu wissen ist noch, dass solche Personen erst zurück in die GKV wechseln können, wenn das Einkommen die besondere Jahresarbeitsentgeltgrenze unterschreitet. Wenn eine solche Person beispielsweise 67.500 Euro verdient und durch eine Erhöhung der JAEG auf 69.300 Euro eigentlich versicherungspflichtig werden würde, gilt dies aufgrund der besonderen JAEG nicht. Die Versicherungspflicht tritt erst ein, wenn das Einkommen unter die besondere JAEG fällt (2024: 62.100 Euro).